Haftlmeier-Seiffert, Rena

Erziehung zur Nachfolge. Werte und Erwartungen der Eltern

in: unternehmermagazin 9/2010, S. 65
Unternehmer Medien
2010

Erst kürzlich berichtete mir ein Unternehmer, er würde sich um die Nachfolge in seinem Unternehmen keine Sorgen machen. Denn seinen Kindern würden von klein auf die entsprechenden Werte vermittelt. Werte wie: Leistungsbereitschaft, Mut zur Entscheidung, Flexibilität, Durchsetzungswille, Frustrationstoleranz.

Wenige Wochen später traf ich zufällig seine Frau. Im Laufe des Abends erzählte sie verschiedene Kleinigkeiten, Ansichten oder stellte einfach Tatsachen fest – alles ganz unspektakulär, alles ohne Harm und Frustration, sondern fröhlich und zutiefst sympathisch.

Manches davon gebe ich hier nun gestrafft und geordnet wieder:
Sie sei aus einem Lehrerhaushalt und habe selbst Grundschullehrerin werden wollen. Dann habe sie sich aber in ihren Mann verliebt und jung geheiratet. Zwar sei sie etwas irritiert gewesen, als ihre Schwiegereltern einen Ehevertrag verlangten. Aber da sie mit dem Unternehmen sowieso nichts zu tun haben und auch nicht so aussehen wollte, als habe sie ihren Mann nicht aus Liebe, sondern aus Berechnung geheiratet, war für sie alles in Ordnung. Bald hatte sie drei Kinder und war mit Wickeln, Trostlieder singen, Brei füttern u. ä. voll beschäftigt. Ihr Mann sei wenig zu Hause, was sie anfangs fast zur Verzweiflung gebracht habe. Er arbeite täglich meist 12 Stunden, auch samstags. Außerdem sei er viel im Ausland. So habe sie die Kindererziehung alleine in der Hand, was für sie zwar manchmal schwierig, aber in Ordnung sei, da sie ja sowieso Grundschullehrerin hätte werden wollen und Kinder liebe. Da verlasse sich ihr Mann auch ganz auf sie. Ihr Mann berichte zu Hause wenig vom Unternehmen, da er dann, wenn er schon mal daheim sei, ausspannen möchte, was sie auch verstehe. Auch gehe sie das Ganze ja sowieso nichts an. Als Angeheiratete dürfe sie weder im Unternehmen arbeiten noch Gesellschafteranteile besitzen. So war sie auch nie auf Gesellschafterversammlungen oder bei Betriebsfesten – dazu sei sie weder eingeladen noch habe sie mit den Kindern für so etwas Zeit. Es herrsche bei ihnen eine klare und bewusste Trennung von Familie und Unternehmen, was sie gut fände. Und auch zu den anderen Mitgliedern der Unternehmerfamilie gebe es keinen intensiven Kontakt. Man habe zwar nichts gegeneinander, aber sehr befreundet sei man auch nicht, zumal in der Familie ihres Mannes manchmal etwas skurrile Vorstellungen herrschen. Als Lehrerstochter war sie beispielsweise vollkommen gleichberechtigt mit ihrem Bruder aufgewachsen. Deshalb konnte sie folgendes nicht nachvollziehen und sie ärgere sich immer noch: Ihre erste Tochter war drei Jahre alt, als ihr Sohn geboren wurde. Sofort kamen alle Verwandten zu Besuch und lobten laut und voller Freude, wie wunderbar es sei, endlich einen Stammhalter zu haben. Während dessen saß die Tochter mit traurigem Gesicht auf der Treppe und sagte: ‚Mami, ich bin doch auch da‘!

Beide Ehepartner sind sich offensichtlich einig, dass sie ihre Aufgaben gut aufgeteilt haben (jeder macht das, was er am besten kann), dass sie ihr Leben so leben, wie sie es leben wollen, und dass die Kinder gut geraten und später einmal das Unternehmen übernehmen werden.

Wenn ich nun trotz dieser optimalen Voraussetzungen daran zweifle, so stehe ich mit ziemlich unmöglichen Unkenrufen da.

In meinen Augen wird nämlich immer wieder verkannt, dass die Mutter die entscheidende Rolle bei der Erziehung des Nachwuchses zum Unternehmertum hat, zumal dann, wenn der Vater wie so oft kaum zu Hause ist. Wie aber soll eine Lehrersstochter, die selbst keine Beziehung zum Unternehmen hat, ja geradezu bewusst davon ausgeschlossen wird, den Kindern eine positive Nähe zum Unternehmen vermitteln und sie zu Unternehmensnachfolgern erziehen? Das ist schier unmöglich, und bestimmt kein böser Wille, wenn es nicht klappt. Hinzu kommt, dass die Kinder fühlen, wie die Mutter das Unternehmen in gewisser Weise als Konkurrenz empfindet, da sie mit ihm um die knappe Zeit des geliebten Mannes buhlen muss und sogar im Zweifelsfall hintan zu stehen hat. Sie bekommen von der Mutter eher die Werte vermittelt, die der Grundschullehrerin anstehen: Nachsicht mit und Förderung der Schwachen, Toleranz, Gleichberechtigung ohne Vorbedingungen. Als Unternehmer benötigt man aber Leistungswille, Wettbewerbsdenken, Akzeptanz der Ungleichheit etc. Den Kindern wird von der Mutter etwas anderes vorgelebt. Und so kann der Vater zwar die Unternehmereigenschaften von seinen Kindern verbal einfordern, die Realität wird ihn spätestens dann einholen, wenn die Nachfolge ansteht.

Schlagworte
Erziehung in Unternehmerfamilien
Sozialistion in Unternehmerfamilien
Nachfolge
Werte
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Erst kürzlich berichtete mir ein Unternehmer, er würde sich um die Nachfolge in seinem Unternehmen keine Sorgen machen. Denn seinen Kindern würden von klein auf die entsprechenden Werte vermittelt. Werte wie: Leistungsbereitschaft, Mut zur Entscheidung, Flexibilität, Durchsetzungswille, Frustrationstoleranz.

Wenige Wochen später traf ich zufällig seine Frau. Im Laufe des Abends erzählte sie verschiedene Kleinigkeiten, Ansichten oder stellte einfach Tatsachen fest – alles ganz unspektakulär, alles ohne Harm und Frustration, sondern fröhlich und zutiefst sympathisch.

Manches davon gebe ich hier nun gestrafft und geordnet wieder:
Sie sei aus einem Lehrerhaushalt und habe selbst Grundschullehrerin werden wollen. Dann habe sie sich aber in ihren Mann verliebt und jung geheiratet. Zwar sei sie etwas irritiert gewesen, als ihre Schwiegereltern einen Ehevertrag verlangten. Aber da sie mit dem Unternehmen sowieso nichts zu tun haben und auch nicht so aussehen wollte, als habe sie ihren Mann nicht aus Liebe, sondern aus Berechnung geheiratet, war für sie alles in Ordnung. Bald hatte sie drei Kinder und war mit Wickeln, Trostlieder singen, Brei füttern u. ä. voll beschäftigt. Ihr Mann sei wenig zu Hause, was sie anfangs fast zur Verzweiflung gebracht habe. Er arbeite täglich meist 12 Stunden, auch samstags. Außerdem sei er viel im Ausland. So habe sie die Kindererziehung alleine in der Hand, was für sie zwar manchmal schwierig, aber in Ordnung sei, da sie ja sowieso Grundschullehrerin hätte werden wollen und Kinder liebe. Da verlasse sich ihr Mann auch ganz auf sie. Ihr Mann berichte zu Hause wenig vom Unternehmen, da er dann, wenn er schon mal daheim sei, ausspannen möchte, was sie auch verstehe. Auch gehe sie das Ganze ja sowieso nichts an. Als Angeheiratete dürfe sie weder im Unternehmen arbeiten noch Gesellschafteranteile besitzen. So war sie auch nie auf Gesellschafterversammlungen oder bei Betriebsfesten – dazu sei sie weder eingeladen noch habe sie mit den Kindern für so etwas Zeit. Es herrsche bei ihnen eine klare und bewusste Trennung von Familie und Unternehmen, was sie gut fände. Und auch zu den anderen Mitgliedern der Unternehmerfamilie gebe es keinen intensiven Kontakt. Man habe zwar nichts gegeneinander, aber sehr befreundet sei man auch nicht, zumal in der Familie ihres Mannes manchmal etwas skurrile Vorstellungen herrschen. Als Lehrerstochter war sie beispielsweise vollkommen gleichberechtigt mit ihrem Bruder aufgewachsen. Deshalb konnte sie folgendes nicht nachvollziehen und sie ärgere sich immer noch: Ihre erste Tochter war drei Jahre alt, als ihr Sohn geboren wurde. Sofort kamen alle Verwandten zu Besuch und lobten laut und voller Freude, wie wunderbar es sei, endlich einen Stammhalter zu haben. Während dessen saß die Tochter mit traurigem Gesicht auf der Treppe und sagte: ‚Mami, ich bin doch auch da‘!

Beide Ehepartner sind sich offensichtlich einig, dass sie ihre Aufgaben gut aufgeteilt haben (jeder macht das, was er am besten kann), dass sie ihr Leben so leben, wie sie es leben wollen, und dass die Kinder gut geraten und später einmal das Unternehmen übernehmen werden.

Wenn ich nun trotz dieser optimalen Voraussetzungen daran zweifle, so stehe ich mit ziemlich unmöglichen Unkenrufen da.

In meinen Augen wird nämlich immer wieder verkannt, dass die Mutter die entscheidende Rolle bei der Erziehung des Nachwuchses zum Unternehmertum hat, zumal dann, wenn der Vater wie so oft kaum zu Hause ist. Wie aber soll eine Lehrersstochter, die selbst keine Beziehung zum Unternehmen hat, ja geradezu bewusst davon ausgeschlossen wird, den Kindern eine positive Nähe zum Unternehmen vermitteln und sie zu Unternehmensnachfolgern erziehen? Das ist schier unmöglich, und bestimmt kein böser Wille, wenn es nicht klappt. Hinzu kommt, dass die Kinder fühlen, wie die Mutter das Unternehmen in gewisser Weise als Konkurrenz empfindet, da sie mit ihm um die knappe Zeit des geliebten Mannes buhlen muss und sogar im Zweifelsfall hintan zu stehen hat. Sie bekommen von der Mutter eher die Werte vermittelt, die der Grundschullehrerin anstehen: Nachsicht mit und Förderung der Schwachen, Toleranz, Gleichberechtigung ohne Vorbedingungen. Als Unternehmer benötigt man aber Leistungswille, Wettbewerbsdenken, Akzeptanz der Ungleichheit etc. Den Kindern wird von der Mutter etwas anderes vorgelebt. Und so kann der Vater zwar die Unternehmereigenschaften von seinen Kindern verbal einfordern, die Realität wird ihn spätestens dann einholen, wenn die Nachfolge ansteht.

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