Haftlmeier-Seiffert, Rena
Webfehler in der Nachfolge. Übergänge auf die zweite und dritte Generation
Der Vater erstellt’s,
der Sohn erhält’s
und beim Enkel zerfällt’s.
Dieser Spruch ärgert mich. Egal in welcher Form er daherkommt, ob als Volksweisheit oder gar als Goethe-Bonmot, so transportiert er doch nur ein Klischee. Dieses wird zwar durch die häufige Wiederholung auch nicht wahrer, setzt sich aber in unseren Gehirnen als unangreifbare Tatsache fest.
Und: Sehen wir nicht immer wieder, wie ehemals solide Unternehmen in der dritten Generation untergehen? Bestätigt nicht die traurige Realität den Spruch so häufig? Wie kann also sein Wahrheitsgehalt angezweifelt werden? Denn abgesehen davon, dass wir möglicherweise einer aufgrund des Spruches verengten Wahrnehmung aufsitzen und die in der zweiten oder vierten Generation gescheiterten Unternehmen ausblenden, gibt es unzweifelhaft durchaus viele Unternehmen, die die dritte Generation nicht überstehen.
Und gleich sind wir mit Vorverurteilungen gegenüber den verwöhnten Erb*innen als partyfeiernde Nachfolger*innen, die wie die Maden im Speck aufwachsen und von Beruf ‚Sohn‘ sind, bei der Hand. Der Schuldige oder zumindest Prügelknabe ist gefunden.
Wir sollten uns die Mühe machen, einmal genauer hinzusehen:
Die Party-Playboys sind in den seltensten Fällen Unternehmernachwuchs. Im Gegenteil. Wie eine Studie am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen zeigt, sind die Unternehmerkinder sogar ausgesprochen diszipliniert, zu Bescheidenheit und Pflichtbewusstsein erzogen, besonders leistungsbereit und sehen sich schon früh in der Verantwortung für das familiäre Unternehmen und für die Gesellschaft.
Wie geht dies nun aber mit unserer Wahrnehmung zusammen?
Aufgrund unserer Erfahrung in der EQUA-Stiftung möchte ich die These wagen, dass nicht die dritte Generation die Schuld am Scheitern trägt, sondern dass bei der Übergabe von der ersten auf die zweite Generation Fehler gemacht wurden, die erst in der dritten Generation zum Tragen kommen. Das Muster der ersten Übergabe ist möglicherweise entscheidend.
Zur Illustration:
Neulich lernte ich zwei über 50-jährige Brüder kennen, die mir ganz stolz erzählten, sie hätten nun endlich den schwierigen Prozess der Nachfolge hinter sich. Es sei nicht einfach gewesen, den 82-jährigen Senior dazu zu bewegen, aber jetzt sei es zur großen Zufriedenheit aller geregelt und sie hätten auch gleich alles festgeschrieben, um in der nächsten Generation dieselben Probleme zu vermeiden. Der Vater habe sich aus dem operativen Geschäft endgültig zurück gezogen und die Anteile je zur Hälfte auf die Söhne übertragen. Die Schwester sei ausbezahlt worden, arbeite aber noch in der Buchhaltung mit. Sie hielten die 50%-Lösung für sehr gut, da diese zur Einigkeit zwinge. Und weil sie sich in ihren Talenten wunderbar ergänzten und sich gegenseitig persönlich respektierten, sei dies eine sehr fruchtbare Konstellation. Der Firma gehe es deshalb sehr gut. Auch in Zukunft solle immer je ein Sohn das operative Geschäft übernehmen und 50% der Anteile erhalten, während die anderen Geschwister angemessen abgefunden werden. Als ich dann ganz vorsichtig fragte, wie viele Kinder sie hätten und in welchem Alter diese seien, bekam ich zur Antwort, dass einer der Brüder zwei Söhne und eine Tochter und der andere zwei Söhne und zwei Töchter habe und dass alle im Alter zwischen 5 und 15 Jahren seien.
Dieses scheinbar so gelungene und leider auch in Stein gehauene Übergabe-Muster verurteilt in meinen Augen das Unternehmen in der dritten Generation zu sehr schweren Zeiten und möglicherweise sogar zum Untergang.
Warum?
Zwei Kinder sollen alle Anteile bekommen, fünf müssen ausbezahlt werden. Dies stellt eine nicht zu vernachlässigende finanzielle Belastung dar.
Wie kann man davon ausgehen, dass ausgerechnet je ein (männlicher) Nachfahre aus jeder Familie geeignet sein wird, das Unternehmen zu leiten? Vielleicht hat nur einer überhaupt das Zeug dazu. Vielleicht sind es aber auch zwei Brüder oder zwei Schwestern aus einer Familie, während die andere Familie hervorragende Lehrer*innen, Notar*innen und Zahnärzt*innen hervorbringt? Dann werden Ungeeignete die Führung übernehmen und Geeignete bleiben außen vor.
Und selbst wenn der unwahrscheinliche Zufall eintritt, dass ausgerechnet ein Sohn aus der einen Familie und ein Sohn aus der anderen Familie besonders befähigt sind, das Unternehmen zu leiten, und selbst wenn die Finanzkraft so groß ist, dass fünf Geschwister/Cousinen angemessen ausbezahlt werden können, so sind doch beide Cousins in unterschiedlichen Kernfamilien aufgewachsen. Sie werden sich nicht mehr unbedingt so blind verstehen wie die beiden Brüder der Vorgängergeneration, sie werden möglicherweise die Leistungen und die Talente des anderen nicht so genau kennen und schätzen bzw. sogar im Wettbewerb beargwöhnen. Und da sie beide gleichberechtigt sind, können sie sich gegenseitig blockieren.
Es ist also (leider) durchaus wahrscheinlich, dass ein finanziell ziemlich angespanntes Unternehmen von einem oder zwei nicht unbedingt besonders fähigen gleichberechtigten Geschäftsführern geleitet wird, die sich untereinander in rivalisierendem Kleinkrieg bekämpfen, was das Unternehmen lähmen, Entscheidungen verhindern und letztendlich den Ruin zur Folge haben wird. Dabei wird die Außenwahrnehmung folgende sein: Die Nachkommen der dritten Generation leben auf zu großem Fuße und verprassen alles, was die Vorgängergenerationen erschaffen haben. Denn möglicherweise genießen die ausbezahlten Geschwister ihr Vermögen und die beiden ungeeigneten und überforderten und daher nicht erfolgreichen und im Konflikt erstickten Geschäftsführer suchen Ersatzbefriedigung in Yachten und Rennautos. Dies wäre nur all zu menschlich.
Doch das ist nicht der Grund für das Scheitern, sondern Folge eines weit zurück liegenden Fehlers, den der Großvater machte – in bestem Wissen und Gewissen und in der Überzeugung alles gut und zukunftssicher geordnet hinterlassen zu haben.
Der Vater erstellt’s,
der Sohn erhält’s
und beim Enkel zerfällt’s.
Dieser Spruch ärgert mich. Egal in welcher Form er daherkommt, ob als Volksweisheit oder gar als Goethe-Bonmot, so transportiert er doch nur ein Klischee. Dieses wird zwar durch die häufige Wiederholung auch nicht wahrer, setzt sich aber in unseren Gehirnen als unangreifbare Tatsache fest.
Und: Sehen wir nicht immer wieder, wie ehemals solide Unternehmen in der dritten Generation untergehen? Bestätigt nicht die traurige Realität den Spruch so häufig? Wie kann also sein Wahrheitsgehalt angezweifelt werden? Denn abgesehen davon, dass wir möglicherweise einer aufgrund des Spruches verengten Wahrnehmung aufsitzen und die in der zweiten oder vierten Generation gescheiterten Unternehmen ausblenden, gibt es unzweifelhaft durchaus viele Unternehmen, die die dritte Generation nicht überstehen.
Und gleich sind wir mit Vorverurteilungen gegenüber den verwöhnten Erb*innen als partyfeiernde Nachfolger*innen, die wie die Maden im Speck aufwachsen und von Beruf ‚Sohn‘ sind, bei der Hand. Der Schuldige oder zumindest Prügelknabe ist gefunden.
Wir sollten uns die Mühe machen, einmal genauer hinzusehen:
Die Party-Playboys sind in den seltensten Fällen Unternehmernachwuchs. Im Gegenteil. Wie eine Studie am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen zeigt, sind die Unternehmerkinder sogar ausgesprochen diszipliniert, zu Bescheidenheit und Pflichtbewusstsein erzogen, besonders leistungsbereit und sehen sich schon früh in der Verantwortung für das familiäre Unternehmen und für die Gesellschaft.
Wie geht dies nun aber mit unserer Wahrnehmung zusammen?
Aufgrund unserer Erfahrung in der EQUA-Stiftung möchte ich die These wagen, dass nicht die dritte Generation die Schuld am Scheitern trägt, sondern dass bei der Übergabe von der ersten auf die zweite Generation Fehler gemacht wurden, die erst in der dritten Generation zum Tragen kommen. Das Muster der ersten Übergabe ist möglicherweise entscheidend.
Zur Illustration:
Neulich lernte ich zwei über 50-jährige Brüder kennen, die mir ganz stolz erzählten, sie hätten nun endlich den schwierigen Prozess der Nachfolge hinter sich. Es sei nicht einfach gewesen, den 82-jährigen Senior dazu zu bewegen, aber jetzt sei es zur großen Zufriedenheit aller geregelt und sie hätten auch gleich alles festgeschrieben, um in der nächsten Generation dieselben Probleme zu vermeiden. Der Vater habe sich aus dem operativen Geschäft endgültig zurück gezogen und die Anteile je zur Hälfte auf die Söhne übertragen. Die Schwester sei ausbezahlt worden, arbeite aber noch in der Buchhaltung mit. Sie hielten die 50%-Lösung für sehr gut, da diese zur Einigkeit zwinge. Und weil sie sich in ihren Talenten wunderbar ergänzten und sich gegenseitig persönlich respektierten, sei dies eine sehr fruchtbare Konstellation. Der Firma gehe es deshalb sehr gut. Auch in Zukunft solle immer je ein Sohn das operative Geschäft übernehmen und 50% der Anteile erhalten, während die anderen Geschwister angemessen abgefunden werden. Als ich dann ganz vorsichtig fragte, wie viele Kinder sie hätten und in welchem Alter diese seien, bekam ich zur Antwort, dass einer der Brüder zwei Söhne und eine Tochter und der andere zwei Söhne und zwei Töchter habe und dass alle im Alter zwischen 5 und 15 Jahren seien.
Dieses scheinbar so gelungene und leider auch in Stein gehauene Übergabe-Muster verurteilt in meinen Augen das Unternehmen in der dritten Generation zu sehr schweren Zeiten und möglicherweise sogar zum Untergang.
Warum?
Zwei Kinder sollen alle Anteile bekommen, fünf müssen ausbezahlt werden. Dies stellt eine nicht zu vernachlässigende finanzielle Belastung dar.
Wie kann man davon ausgehen, dass ausgerechnet je ein (männlicher) Nachfahre aus jeder Familie geeignet sein wird, das Unternehmen zu leiten? Vielleicht hat nur einer überhaupt das Zeug dazu. Vielleicht sind es aber auch zwei Brüder oder zwei Schwestern aus einer Familie, während die andere Familie hervorragende Lehrer*innen, Notar*innen und Zahnärzt*innen hervorbringt? Dann werden Ungeeignete die Führung übernehmen und Geeignete bleiben außen vor.
Und selbst wenn der unwahrscheinliche Zufall eintritt, dass ausgerechnet ein Sohn aus der einen Familie und ein Sohn aus der anderen Familie besonders befähigt sind, das Unternehmen zu leiten, und selbst wenn die Finanzkraft so groß ist, dass fünf Geschwister/Cousinen angemessen ausbezahlt werden können, so sind doch beide Cousins in unterschiedlichen Kernfamilien aufgewachsen. Sie werden sich nicht mehr unbedingt so blind verstehen wie die beiden Brüder der Vorgängergeneration, sie werden möglicherweise die Leistungen und die Talente des anderen nicht so genau kennen und schätzen bzw. sogar im Wettbewerb beargwöhnen. Und da sie beide gleichberechtigt sind, können sie sich gegenseitig blockieren.
Es ist also (leider) durchaus wahrscheinlich, dass ein finanziell ziemlich angespanntes Unternehmen von einem oder zwei nicht unbedingt besonders fähigen gleichberechtigten Geschäftsführern geleitet wird, die sich untereinander in rivalisierendem Kleinkrieg bekämpfen, was das Unternehmen lähmen, Entscheidungen verhindern und letztendlich den Ruin zur Folge haben wird. Dabei wird die Außenwahrnehmung folgende sein: Die Nachkommen der dritten Generation leben auf zu großem Fuße und verprassen alles, was die Vorgängergenerationen erschaffen haben. Denn möglicherweise genießen die ausbezahlten Geschwister ihr Vermögen und die beiden ungeeigneten und überforderten und daher nicht erfolgreichen und im Konflikt erstickten Geschäftsführer suchen Ersatzbefriedigung in Yachten und Rennautos. Dies wäre nur all zu menschlich.
Doch das ist nicht der Grund für das Scheitern, sondern Folge eines weit zurück liegenden Fehlers, den der Großvater machte – in bestem Wissen und Gewissen und in der Überzeugung alles gut und zukunftssicher geordnet hinterlassen zu haben.