Selten werden Master-Theses in universitären Schriftenreihen (hier: Wittener Schriften zu Familienunternehmen, herausgegeben von Arist von Schlippe und Tom Rüsen) veröffentlicht, denn solche Beiträge genügen in der Regel den dortigen wissenschaftlichen Anforderungen nicht. Guido Hardieck stellt eine wunderbare Ausnahme dar. Seine Arbeit ist im besten Sinne wissenschaftlich und behandelt kreativ ein bisher wenig beachtetes Gebiet.
Schon im (möglicherweise für so manche Leser*in irritierenden) Titel der Arbeit zeigt der junge Wissenschaftler, dass er erstens fähig ist, eine kluge Forschungsfrage zu stellen und zweitens ist er auch wagemutig genug, um scheinbar Unvereinbares vereint zu denken. Denn was hat vordergründig schon so etwas Emotionales wie Atmosphäre mit so etwas Rationalem wie Management zu tun? Hardiecks Wagnis bleibt glücklicherweise nicht auf der Ebene der Provokation stehen, sondern er durchdringt seine durchaus aus der Praxis geborene Fragestellung auf (philosophisch-) theoretisch hohem Niveau, entwickelt ein neues Modell zur Veranschaulichung und wendet dieses dann wiederum in der Praxis an, um es (erfolgreich) zu verproben.
In einem ersten theoretischen Teil klärt Hardieck, dass er Management bzw. Unternehmensführung (insbesondere in Familienunternehmen) nicht nur als sachorientiertes Organisieren von Dingen und Abläufen begreift, sondern auch und gerade als Aufgabe, die Mitarbeitenden (die ja letztlich die Unternehmung voranbringen müssen) zu motivieren, gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Um dies zu erreichen, muss kommuniziert werden. Ein wesentlicher Aspekt der Kommunikation ist für uns Menschen die Sprache. Wird diese bewusst als Hilfsmittel zur zielgerichteten Kommunikation eingesetzt, so handelt es sich um Rhetorik. Dabei wird mit einer (rhetorischen) Rede wesentlich mehr transportiert als nur der gedankliche Inhalt. Neben dem Was sind nämlich für eine entsprechende Wirkung beim Adressaten auch das Wo und das Wie maßgeblich. Diese Aspekte beschreibt Hardieck mit dem Begriff Atmosphäre. Weshalb er zu dem Schluss kommt, dass es eine bewusste atmosphärische Unternehmensführung gibt und geben muss, wenn man erfolgreich sein will.
Daraufhin entwickelt der junge Wissenschaftler in einem zweiten Schritt ein (normatives) Analysemodell, um die atmosphärischen Aspekte von Firmenreden (nicht die Inhalte) zu analysieren. Dabei arbeitet er mit den Antipoden emotional – rational, narrativ (vergangen) – appellativ (zukünftig), positiv – negativ und trägt sie in einem dreidimensionalen Koordinatensystem ab.
An drei (veröffentlichten) Firmenreden wendet Hardieck dann in einem dritten Schritt sein Analysetool an und kann so wunderbar am praktischen Beispiel zeigen, wie die untersuchten Reden wirken bzw. wirkten.
Ein allgemeines Fazit oder gar eine Empfehlung wagt der Autor danach nicht. Dies zeugt m.E. aber weniger von einem Fehler als von einer gesunden Selbsteinschätzung des jungen Wissenschaftlers. Anschlussuntersuchungen und Arbeiten von ihm würde man sich wünschen.
Das Buch sei Wissenschaftler*innen und Unternehmensmanager*innen empfohlen, die verstehen wollen, was gute und weniger gute Führung (auch) ausmacht und wie Unternehmenserfolg davon abhängt.
Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert