Isabell Stamm kommt in ihrer Publikation ganz unaufgeregt und souverän zu erfrischend neuen Erkenntnissen. Dies gelingt ihr, indem sie bekannte Vorgehensweisen und Methoden hinterfragt und in ihrer Arbeit neue etabliert. Sie macht vieles anders:
Sie wechselt die Perspektive, denn sie geht nicht einfach und stillschweigend davon aus, dass das Familienunternehmen von der Unternehmerfamilie beeinflusst wird, sondern sie blickt von der anderen Seite auf das Phänomen und erkennt, dass die Unternehmerfamilie vom Familienunternehmen maßgeblich geprägt ist.
Sie macht zwar in klassischer soziologischer Manier eine empirische qualitative Fallstudienarbeit, bleibt allerdings nicht in der Interpretation des Was (inhaltliche Interpretation der Interviews) stecken, sondern spürt sehr genau und sensibel dem Wie und dem Warum nach. Sie erkennt dabei, was dahinter steckt und sitzt nicht dem Offenkundigen und Vordergründigen auf, denn die Unternehmerfamilienmitglieder sind natürlich geprägt von vielen gesellschaftlich anerkannten Einstellungen und ihre Aussagen sind durch eigene Bewertungen und Selbstbilder klug gesteuert. Stamm trägt die scheinbar offensichtlichen Schichten ab und erkennt die verborgenen Beweggründe und kommt dadurch zu neuen, manchmal verblüffenden, aber immer höchst plausiblen Erkenntnissen.
Sie vermutet in allem Vorgefundenen zunächst dessen uneingeschränkte Richtigkeit und erkennt diese an, denn sie geht davon aus, dass sich Unbrauchbares und Schlechtes/ Falsches im Leben der Unternehmerfamilie nicht durchsetzen hätte können. So einfach diese Einstellung gegenüber Vorgefundenem klingt, so selten ist diese anzutreffen. Im Gegensatz dazu geht man häufig (insbesondere in der Beraterliteratur) davon aus, dass das System Familienunternehmen ein fehlerhaftes Konstrukt sei. Deshalb wird dann folgerichtig das falsche Vorgefundene mit dem angeblich Richtigen konfrontiert und mit einem Änderungsappell an die Unternehmerfamilie versehen. Stamm geht hingegen davon aus, dass die gelebte Wirklichkeit (bei allen Schwierigkeiten) taugliche Verhaltensweisen herausgebildet hat, und die Mitglieder der Unternehmerfamilien gute Möglichkeiten des Umgangs mit ihren besonderen Herausforderungen gefunden haben.
Dieses Buch (dem eine soziologische Dissertation zugrunde liegt, das aber über weite Strecken trotzdem flüssig zu lesen ist) sei jedem Mitglied einer Unternehmerfamilie wärmstens empfohlen. Denn es entlastet ungemein und es ist hilfreich, sich selbst und sein eigenes (oft unorthodoxes) Verhalten zu verstehen.
Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert